Lewis & Clark Trail

29. Tag: 18. September 1999 Glasgow — Lewistown

Heute starte ich meine Tour einmal anders herum: Ich fahre zuerst zum Tanken, weil ich auf der Hauptstraße kein vernünftiges Restaurant gefunden habe. Dort erkundige ich mich nach einem guten Platz zum Frühstück. Er gibt mir den Tipp im Stadtzentrum in Johnny’s Café zu gehen. Dort kann man zu einem vernünftigen Preis frühstücken. Na ja, schlimmer als gestern Abend kann es ja nicht mehr werden…

Hoffentlich muß ich nicht allzu weit laufen. Es ist deutlich kühler geworden. Heute morgen sind es nur noch 5 Grad! Ich finde das Café aber dann doch auf Anhieb, und der Parkplatz ist auch nur ein paar Schritte entfernt. Von außen macht es nicht gerade den besten Eindruck. Aber von innen schaut es gut aus. Alles in allem ist es ein typisch amerikanisches Kleinstadt–Frühstückscafé. Die Gäste sind anscheinend hauptsächlich Farmer aus der Gegend. Das Essen ist einwandfrei und ich verlasse fast eine Stunde vor meiner Zeit das Restaurant. Mittlerweile fängt es leicht zu tröpfeln an. Hoffentlich hat der Wetterbericht recht, daß das angekündigte Regenwetter östlich vorbei zieht. Sonst sehe ich schwarz für meinen heutigen Trip auf den Backroads.

Willow Creek Road, Montana Willow Creek Road, Montana
Willow Creek Road, Montana
Willow Creek Road, Montana Willow Creek Road, Montana
Willow Creek Road, Montana

Ich fahre wieder den Higwhay 24 zurück, bis ich auf die Willow Creek Road nach Südwesten stoße. Hier wage ich das Risiko und biege auf die Backroad ein — die schwarze Wolkenfront bedrohlich im Rücken. Aber als Optimist vertraue ich einmal der Wettervorhersage. Nachdem ich fast 30 Meilen gefahren bin erkenne ich leider zu spät, daß mich die Schlechtwetterfront voll erwischt. Ich muß auf der Ridge Road nach Norden abbiegen und fahre jetzt voll in Richtung Regen. Die Straße wird schlagartig extrem rutschig und teilweise gräbt sich mein Wagen beim Fahren leicht in den Matsch ein — na das kann ja heiter werden.

Ich beschließe einen anderen Weg zurück zu nehmen und weiter Richtung Norden zu fahren. Dies ist der kürzeste Weg zur nächstgelegenen geteerten Straße. Das Wetter wird jetzt immer schlimmer. Die Straße ist mittlerweile eine einzige Schlammpiste und ich ackere mich mit meinem normalen PKW mehr schlecht als recht durch den Schlamm. Besonders vor den Steigungen habe ich Bedenken. Die schaffe ich nur mit viel Anlauf. Nur wenn ich zu viel Gas gebe, schleudert mir der Wagen aus der Spur. Teilweise bleibe ich auch in vorhanden Spurrillen hängen und schaffe es nur mit Mühe und ziemlichem Schleudern hier wieder heraus zu kommen. Langsam wird mir bewußt, wie ernst die Schilder mit „Impassable When Wet” (unpassierbar wenn naß) zu nehmen sind!

Aber es hilft nichts, irgendwie muß ich hier wieder heraus kommen. Nach fast einer Stunde erreiche ich eine geteerte kleine Brücke und kann endlich einmal stoppen. Anhand der GPS Koordinaten erkenne ich, daß ich die falsche Abzweigung erwischt habe und mich gerade in einem Bogen zurück auf die Willow Creek Road befinde. Nachdem ich diese aber schon fast erreicht habe, will ich nicht mehr umkeheren und das Risiko eingehen, an einem der zahlreichen Hügel hängen zu bleiben. Schließlich war die Willow Creek Road relativ flach. Also fahre ich weiter, um wieder den Highway 24 zu erreichen. Doch das schlimmste steht mir erst jetzt bevor: Die Straße, die bei Trockenheit relativ schön zu fahren war, hat sich in eine extreme Schlammpiste verwandelt. Ich schaffe es nur mit fast Vollgas im zweiten Gang durch den Schlamm zu kommen ohne Stecken zu bleiben. Dabei habe ich das Fahrzeug schon mehr als einmal im Straßengraben liegen sehen. Nur mit Mühe gelingt es mir den schleudernden Wagen immer wieder in die Spur zurück zu bekommen und dabei nicht zu langsam zu werden, damit ich nicht stecken bleibe. Der Schlamm ist teilweise so tief, daß ich höre, wie dieser am Unterboden entlangschrammt. Ich sinke also teilweise bis zur Achse ein. Wenn ich hier stecken bleibe komme ich so schnell nicht mehr heraus. Nach schätzungsweise einer weiteren halben Stunde, die mir aber eher wie ein halber Tag vorkommt, erreiche ich endlich den Higwhay. Mein Wagen wurde bei der Fahrt so eingeschlammt, daß ich aus keiner einzigen Scheibe etwas sehe. Lediglich die Frontscheibe ist halbwegs frei. Aber während der Fahrt war auch diese oft mehrere Wischzüge lang so von Schlamm bedeckt, daß man nichts mehr gesehen hat und ich blind fahren mußte. Um halbwegs sicher jetzt auf die Hauptstraße zu kommen, muß ich die Seitenfenster herunter lassen um etwas zu sehen. Ein weiterer Blick auf die Tankuhr verrät mir, daß ich, bevor ich mich wieder auf meine eigentliche Tour mache, zuerst eine Tankstelle brauche. Für die 140 Meilen, die ich seit heute in der Früh gefahren bin, habe ich so viel Sprit wie sonst für 240 Meilen verbraucht. Während der Fahrt merke ich, daß der Motor fast keine Leistung mehr hat. Hoffentlich hat der durch die Vollgasfahrt nicht irgendwelchen Schaden erlitten. Auch fängt das ganze Fahrzeug ab 60km/h stark zu virbieren an und ab 80km/h kann man fast nicht mehr fahren. Ich bin ja gespannt, was die Leute in Seattle sagen, wenn ich den ramponierten Wagen zurück gebe…

Highway 191, Montana Highway 191, Montana
Highway 191, Montana

Als erstes fahre ich wieder zurück nach Glasgow an eine Tankstelle. Dann fahre ich weiter auf dem Highway 2 nach Westen. Diesem folge ich bis Malta und biege dort auf den Highway 191 nach Südwesten ab. Dieser ist glücklicherweise geteert und so kann ich unbeschadet den Missouri überqueren. Bei schönem Wetter wäre meine ursprüngliche Tour landschaftlich mit Sicherheit eine der schönsten Teilstrecken auf meinem gesamten Trip geworden. Aber vielleicht kann ich diesen Teil ja irgendwann einmal wiederholen. Momentan gilt allerdings meine Hauptsorge dem Fahrzeug. Der rapide Leistungsverlust und das extreme Schütteln geben mir wirklich zu denken. Aber ich muß jetzt erst einmal mein nächstes Ziel Lewistown erreichen. Durch den Umweg habe ich extrem viel Zeit verloren. Aber da ich jetzt nur noch auf Hauptstraßen fahre, gewinne ich trotz langsamerer Fahrt ziemlich viel Zeit. Um halb sechs erreiche ich Lewistown im strömenden Regen. Die Temperatur ist auch noch nicht allzu freundlich: Magere 17 Grad gegenüber von den 35 Grad, die ich gestern hatte!

Eingeschlammtes Auto, Montana Eingeschlammtes Auto, Montana
Eingeschlammtes Auto, Montana

Mein jetziges Ziel ist das Super Motel 8 in Lewistown. Doch als ich dort eintreffe ist kein einziges Zimmer mehr frei. Also fahre ich den Higwhay 87 Richtung Zentrum. Auf der linken Seite sehe ich ein kleines nettes Motel, das Mountain View Motel. Hier gibt es noch Zimmer und das zum halben Preis — wenigstens hier habe ich Glück. Während ich auslade, kommt die Besitzerin vorbei und meint nur kopfschüttelnd, was mit mir passiert ist. Ich muß zugeben, das Auto sieht aus, als wenn es gerade von einer Rally kommt. Irgendwie habe ich mich auch während der Fahrt so gefühlt: Der Schlamm, der über das ganze Auto und auf die Scheiben spritzte, so daß man für mehrere Sekunden nichts mehr gesehen hat und die Kurven, die man mehr quer als gerade gefahren ist. Ich bin wirklich froh, daß ich das Auto in einem Stück da heraus gebracht habe. Auf jeden Fall habe ich vor den Backroads jetzt einen deutlich höheren Respekt als vorher. Nachdem ich alles ausgeladen habe, frage ich den Besitzer, wo ich hier zum Essen gehen könnte. Er meint gegenüber vom Super 8 ist ein Sportsman Club. Hier kann man zu einem guten Preis sehr gut Essen. Ich bedanke mich und fahre los. Und tatsächlich: Ich bekomme hier eines der besten Steaks auf meinem ganzen Trip — für knapp zehn Dollar. Ich weiß auch schon, wo ich morgen frühstücken werde. Ich weiß nur noch nicht, was ich mit dem Wagen machen werde…

  • Besichtigungen
  • Allgemein
  • Frühstück: Johnny’s Café, Glasgow
  • Abendessen: Sportsman Club, Lewistown
  • Motel: Mountain View Motel, Lewistown
  • Tagesetappe: 352 Meilen